Auf nach Kopenhagen

ivent sailing
2015-08-16 00:39:00 / Törnberichte / Kommentare 0

Am Montagmorgen starten wir um 5 Uhr im Morgengrauen in Warnemünde. Die Crew besteht aus einer Familie mit 2 Kindern sowie mehreren Seglern, die sich vorher noch nie getroffen haben. Während ein Kreuzfahrtschiff der AIDA-Flotte Warnemünde anläuft, setzen wir die Segel für Raumwind und nehmen Kurs Nord-Nordost in Richtung Mon. Nachdem wir einen unbeschreiblichen Sonnenaufgang erleben konnten, gibt es ein leckeres Frühstück im Cockpit. Bei strahlendem Sonnenschein und stahlblauem Himmel fliegt unsere Bavaria 46 mit bis zu 11,5 Konten über die Ostsee. Unsere jüngsten Mitsegler quaifizieren sich bald zu hervorragenden Steuerleuten, die manchen Erwachsenen im Kurs halten leicht übertreffen. Erste Anzeichen von leichter Seekrankheit werden mit Homöopathie und etwas Ruhe im Cockpit bald vertrieben.

Beim Queren des Tiefwasserweges gibt es viel zu sehen. Schnelle Fähren, Ro-Ro-Schiffe, Stückgutfrachter und Tanker verlangen von uns höchste Aufmerksamkeit. Schon ist die dänische Küste zu sehen. Bald können wir Klintholm ausmachen und es ist Zeit die Gastfagge zu setzen. Nun ist wieder unsere Aufmerksamkeit gefragt. Jede Menge Fischernetze laueren in der Bucht. Auf die Küste steht ein kräftiger Wind, der das Meer branden lässt und in der schmalen Hafeneinfahrt bilden sich aus der Brandung Strudel. Unser Schiff läuft problemlos ein und ist schon bald längsseits festgemacht. Es ist noch früher Nachmittag. Nach einem Mittagsschläfchen locken die Kreidefelsen von Mon zu einem Spaziergang. Der Abend vergeht schnell in Klintholm - einem kleinen netten Hafenort zumal später noch ein Schiff von unserem Heimatsteg zu uns ins Päckchen geht.

Wir starten wieder in der Morgendämmerung. Auf geht es nach Kopenhagen. Wind und Meer sind jetzt so still, dass das Steuer bereits im Hafen ohne Bedenken an eine Mitseglerin ohne Erfahrung übergeben werden kann. Nachdem wir den zahlreichen Fischernetzen entkommen sind, gibt es für die interessierte Crew eine Lektion in Segeltrimm und Aerodynamik von unserem Co-Skipper und Regattasegler an Bord. Wir bewundern die imposanten Klippen von Mon leider bei sich eintrübendem Wetter.  Das geplante Frühstück im Sonnenaufgang vor den Klippen von Mon gibt es heute ohne Sonnenaufgang.  Der Wind ist heute nur ein laues Lüftchen und so kommen wir recht langsam voran. Gegen Mittag können wir im trüben Wetter die Öresundbrücke ausmachen. Ein plötzliches Problem mit der Ruderanlage reparieren wir auf dem Meer nur provisorisch. So nehmen wir die Anfahrt auf Kopenhagen mit der Notpinne, was bei der ruhigen See jedoch kein Problem ist. Unser stärkster Mann an Bord ist ein fantastischer Rudergänger. Als wir im Wasser eine Luftballonpost entdecken, probieren wir ein Luftballon-über-Bord-Manöver mit Notpinne. Super-Crew - die Ballons werden beim ersten Versuch geborgen. Vorbei an gigantischen Windparks vor tiefliegenden Wolken nähern wir uns Kopenhagen. Im Hafen begrüßen uns zunächst die Kreuzfahrschiffe und später die königliche Yacht. Die königliche Garde verlässt gerade in weißen Uniformen stehend im Boot mit der Hand zum Gruß erhoben die im Hafen frei liegende Yacht und nimmt Kurs auf Schloß Amalienburg. An Steuerbord winken wir der kleinen Meerjungfrau zu. Mit der eingeschränkten Manövrierfähigkeit gehen wir nicht wie geplant nach Christianshavn sondern bleiben im Hauptarm. Das ungewohnte Anlegemanöver klappt bestens - Skipper gibt nur Anweisungen, der Rudergänger steuert mit der Notpinne exakt. Nachdem das Ruder kurz daruf wieder klar ist, einigen wir uns sogar noch mit einem zuerst weniger freundlichen Anlieger, dass wir den Liegeplatz für die Nacht nutzen dürfen. Nun gilt es Kopenhagen zu erkunden. Einer unserer jüngsten Mitsegler wird von einem Wespenstich am Fuß gequält und darf daher auf der Stadttour das Minifahrrad nutzen. Wir saugen das maritime Flair dieser schönen Stadt auf, lassen uns von blinkenden Kuppeln verzaubern, bewundern schön restaurierte Speicher, erhaschen einen Blick auf die Geschäfte des dänischen Alltags in Christianshavn und beneiden die Bewohner der Hausboote bevor wir uns dem Treiben in Nyhavn hingeben. Hier lädt die Kulisse alter Segelschiffe zum Bummeln am Kanal und Bars und Restaurants zur Einkehr ein.

Eigentlich wollten wir am nächsten Morgen in den Sund nach Helsingör und Helsingborg starten. Jedoch prognostiziert die Wettervorhersage ein schweres Sturmtief für den kommenden Abend und Tag danach. Da wir der Crew die Seefahrt nicht verderben wollen und mit den Kindern an Bord jedes  Risiko indiskutabel ist, segeln wir nur bis Dagör. Der Wind hat bereits am Vormittag kräftig aufgefrischt und wir beobachteten den Wetterdurchzug aus dem sicheren Hafen. Die Kinder angeln mit unserem Gastronomen einen Eimer voller Krabben. Natürlich bekommt jeder einen Namen. Hugo ist der Größte. Mancher Segler geniesst den Sonnenschein im Cockpit oder beim Strandspaziergang. Für den Abend sind die Krabben zum Abendessen geplant. Aber kann man Tiere mit Namen essen? Nachdem das Testopfer Hugo etwas modrig schmeckt, beenden wir die Diskussion und schenken seinen 13 Geschwistern die Freiheit. Bis zum Abend sehen wir vor der Kulisse der Öresundbrücke respekteinflößende Wolken aufziehen und beobachteen das immer stärker bewegte Meer. Wer jetzt in den Hafen kommt, ist froh, wenn er festgemacht hat. Da der Hafen voll und die ankommenden Crews erschöpft sind, laden wir je ein Schiff aus Helsingör und aus Stettin zu uns ins Päckchen ein. Den Sturmtag nutzt ein Teil der Crew für einen Ausflug mit dem Linienbus nach Kopenhagen. Die anderen erkunden das nette Kapitänsstädtchen Dagör, bummeln durch die kleinen Läden, schwatzen bei einem Kaffee in einem der Bistros oder spazieren am Strand entlang. Am Abend kommt Bewegung in den Hafen. Die meisten Crews wollen am nächsten Morgen sehr früh auslaufen. Man hilft sich gegenseitg beim klar machen. Zum Dinner gibt es Spaghetti mit einer leckeren Tomaten-Gemüse-Pfanne und frisch gebackene Limettentorte. 

Für den kommenden Tag haben wir 95 Seemeilen über Grund vor uns. Das heißt früh aufstehen. Um 4 Uhr laufen wir aus. Die Crew amüsiert sich über die prognostizierte Ankunftszeit in Warnemünde zwischen 16 und 22 Uhr.  Der Wind kommt aus Süden und so müssen wir zunächst kreuzen. Vorbei geht es an den Buchten von Köge, den Kreidefelsen von Mon und der Faxebucht. Wieder kreuzen wir die Schiffahrtsstraße und haben Respekt vor den flott dahinziehenden Fähren von Finnlines, Scandlines und anderen. Bald können wir Darßer Ort ausmachen und fühlen uns schon fast am Ziel. Doch der Weg bis Warnemünde ist noch weit. Inzwischen ist unser Kurs zum Wind wieder günstiger und wir kommen besser voran. Mit dem Blick auf die Kulisse von Warnemünde erleben wir einen sagenhaften Sonnenuntergang in allen Farben des Himmels. Vor der Kulisse der untergehenden Sonne zeichnen sich die Schiffe am Horizont ab. Aus dem Lautsprecher ertönt Conquest of Paradise von Vangelis. So mancher wischt sich heimlich eine Träne. Bei Dunkelheit laufen wir nach 115 Seemeilen durch das Wasser um 22:15 Uhr in Warenmünde Hohe Düne ein und werden freudig von den anderen Crews begrüsst. Als dann auch noch zufällig ein großes Feuerwerk am Himmel aufsteigt, bleibt kein Wunsch mehr offen.

KK